Ein Leben für das Vaterland, den Glauben, die Jugend, das Farbstudententum

Ing. Wolfgang Reismann v/o Mag. cer. Radi (ABI) schreibt über seinen Bundesbruder Amtsrat Ing. Carl Hirnschrott v/o Dr. cer. Armin 2
(Ambronia Innsbruck 1923, Ostaricia Wien 1935, Nibelungia Hall 1936, Alemannia Innsbruck 1937, Amelungia Innsbruck 1946, Cimbria Innsbruck 1947, Cimbria Kufstein 1948, Raeto – Romania Landeck 1950, Teutonia Innsbruck 1951, Laurins Tafelrunde Bozen 1958, Görz zu Lienz 1966, Rhaetia Innsbruck 1968)

Als ich gebeten wurde, einen kurzen Abriss über das Leben von Dr. Armin zu gestalten, war mir sofort bewusst, dass dies eine äußerst schwierige Aufgabe sein wird. Das Leben und Wirken dieses großen Farbstudenten objektiv und in kurzer Form darzustellen, ist nicht möglich, jeder Versuch muss an seiner Unvollständigkeit und der Stümperhaftigkeit, seine Person mit Worten beschreiben zu wollen, scheitern. Und so werde ich mich bemühen, meine subjektive Sicht und mein Erleben dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit in der Zeit von meiner Rezeption 1967 bis zu seinem Ableben 1981 zu Papier zu bringen. Wenn es auch nur ein Zeitraum von knapp 15 Jahren war – dieser war für mich die Zeit, die mein junges Leben prägte – eine Zeit, in welcher ich mich dem Wirken und Streben, der freundschaftlichen Verbundenheit und Väterlichkeit, der Überzeugungskraft, den durchaus hohen, für mich in vieler Hinsicht nicht erreichbaren Ansprüchen unseres Dr. Armin nicht entziehen konnte. Er war das wirkliche Zentrum unseres Bundes, die Graue Eminenz, das „Mastermind“, das im Hintergrund die Fäden zog, der Vor- und Querdenker, der Wahrer des Komments, der Vermittler des farbstudentischen Lebens, die moralische Autorität, zugleich aber auch der Architekt der Zukunft unserer Ambronia, des Tiroler Mittelschüler Verbandes und des Gesamtverbandes. Manchmal belächelt ob seines Junggesellendaseins und seines oft fast preußischen Gehabes, manchmal gefürchtet ob seiner Dickköpfigkeit oder besser Unnachgiebigkeit, immer aber geschätzt ob seiner Gesprächsbereitschaft und Diplomatie, geachtet wegen seiner Prinzipientreue, seiner Geradheit, seiner Überzeugungskraft und Führungskunst, seines geschichtlichen Wissens, geliebt wegen seines trockenen Humors und nicht zuletzt seiner Großzügigkeit. Er war ein großer Mäzen der Aktivitas und ein Förderer unserer Verbindung in materieller und ideeller Hinsicht. Und er arbeitete und wirkte nie an vorderster Front, er stellte sich selbst immer in den Hintergrund.

Carl Hirnschrott wurde am 1. Dezember 1907 in Bozen geboren. Sein Vater war Finanzwachebeamter aus Freistadt in Oberösterreich und seine Mutter entstammte einer Bergbauernfamilie am Ritten in Südtirol. Er besuchte die Volksschule in Meran und Lana und begann seine Weiterbildung am Gymnasium in Meran. 1919 übersiedelte er nach Innsbruck und besuchte hier zuerst die Realschule und entschloss sich 1923, in die Innsbrucker Gewerbeschule, Fachrichtung Elektrotechnik, einzusteigen. Noch im selben Jahr wurde er bei Ambronia rezipiert und präsidierte 1926 als Jubelsenior das 20. Stiftungsfest unserer Verbindung. 1927 trat er überraschend aus der Schule aus um drei Jahre dem damaligen Österreichischen Bundesheer zu dienen. 1930 ist er wieder in die Gewerbeschule eingetreten und hat diese 1932 mit der Matura abgeschlossen. Unmittelbar danach trat er seinen Dienst bei der Post-und Telegraphenverwaltung an und war dort im Peildienst der Funküberwachung beschäftigt. In dieser Zeit kam es wohl auch zu den ersten Kontakten von Dr. Armin zu Ostaricia. Beim 25. Stiftungsfest e.v. Ostmark (heute Ostaricia) am 6. 5. 1933 führte deren Senior, Jaro Sterbik-Lamina v. Totila, mit Gastchargierten, darunter auch Armin, Gespräche über eine neue Verbandsgründung, und es wurde im Rahmen des Katholikentages am 9. 9. 1933 der „Verband der katholisch-deutschen farbentragenden Mittelschulverbindungen Österreichs“ (VMK) gegründet. 1934 schloss sich der TMV unter dem Vorsitz Ambroniae dem VMK an, Jaro Sterbik-Lamina wurde zum Ehrenmitglied Ambroniae, 1935 wurde Carl Hirnschrott das Band e.v. Ostaricia verliehen. Die Achse Dr. Totila – Dr. Armin war geschaffen und sollte zum Wohle des Verbandes über Jahrzehnte bestehen. 1936 fand sein unermüdlicher Einsatz für unsere Verbindung in der Ernennung zum Ehrenburschen seinen Niederschlag. 1938 beendete der Nationalsozialismus das rege Verbindungs- und Verbandsleben: Carl Hirnschrott wurde im März bei der Post außer Dienst gesetzt und zur Deutschen Wehrmacht eingezogen. Bereits im November 1938 wieder in den Dienst gestellt war er in der Folge in Berlin, München und Prag, Melnitz und Beelitz-Mark tätig und zuletzt in Lobenstein-Thüringen eingesetzt, ehe er im April 1945 wieder nach Innsbruck zurückkehrte. Dort hatte er während seiner Urlaubsaufenthalte 1944 bereits begonnen, beim Fernmeldedienst eine Widerstandszelle aufzubauen, die er nach seiner Rückkehr 1945 mobilisierte und ausbaute. Mit mehr als 200 Mitkämpfern besetzte und überwachte er noch vor dem Einmarsch der Amerikaner das Landhaus, die Postdirektion und die Polizeidirektion in Innsbruck sowie den Rundfunksender in Aldrans. Beruflich war er bis 1947 als Präsidialbeamter bei der Post- und Telegraphenverwaltung tätig, ab 1948 übte er bis zu seiner Pensionierung 1970 die Tätigkeit eines Fernmeldeinspektors aus. Seine Tätigkeit wurde im Jahre 1965 mit der Verleihung des Silbernen Ehrenzeichens der Republik und 1970 durch das Ehrenzeichen des Landes Tirol öffentlich gewürdigt.

Doch kehren wir zurück zu seinem Verbindungsleben:
Nach der Zerschlagung des Regimes 1945 wurde Carl Hirnschrott auch in der Korporation und im Landesverband wieder aktiv und war am Wiederaufbau unserer Ambronia intensiv beteiligt. Als unermüdlicher Motor, stets mit neuen Ideen ausgestatteter Bundesbruder trug er wesentlich am neuen Erblühen unserer Verbindung bei und erlangte 1946 die Würde eines Doctor cerevisiae Ambroniae. Schon 1950 wurde im Garten des damaligen Gasthauses Biermichl in der Innstraße das erste von Bundesbrüdern Ambroniae selbst errichtete Heim eröffnet und damit eine wertvolle Basis für die Keilbemühungen geschaffen. Als der damalige Innsbrucker Bischof den mit Schlägern „bewaffneten“, antiquierten Kooperationen die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession untersagte, gelang es Dr. Armin 1952 unter tatkräftiger Hilfe der Tiroler Schützen, das Verbot zu durchbrechen. Die dadurch entstandene Fehde zwischen Diözese und Verband konnte erst Jahre später wieder befriedet werden. 1956 erhielt Dr. Armin den Ehrenring Ambroniae, 1957 den Ehrenschild des TMV verliehen. In den Folgejahren wirkte er nicht unwesentlich an der Neufassung der Kartellgeschäftsordnung mit und erstellte ein Modell einer Korperationsverfassung mit dem legendären „Zweisäulenmodell“, der Einführung der Position eines Führungsberaters und des Schulreferenten, der Lehrer an der Stammanstalt der Verbindung sein musste. 1961 wurde Dr. Armin mit dem Ehrenring des TMV ausgezeichnet. Schon ab 1960 konzentrierte er seine Bemühungen auf die Errichtung einer gemeinsamen, verbandsweiten Ausbildungsstätte und dank seiner Unnachgiebigkeit und Konsequenz gelang es, 1964 die damalige Verbandsführung zu überzeugen und den ersten Lehrgang der Kartellführungsschule im Norbertinum in Tullnerbach einzurichten. Unzählige Schriften, Publikationen und Schulungsbehelfe, die sich mit Korporationsverfassung, farbstudentischem Brauchtum, Studentengeschichte, unseren Prinzipien und Führungskunde beschäftigen, entstammen seiner mitunter auch spitzen Feder. Der MKV würdigte sein unermüdliches Wirken für den Verband 1968 mit dem Ehrenring des MKV.

Sein großes Lebenswerk aber war das Technikerhaus in Innsbruck. Schon 1957 begann er an „seinem“ Projekt zu arbeiten. Nicht erfüllbare Grundstückswünsche und Rückschläge konnten seine Bemühungen nicht bremsen. 1960 wurde der Verein Technikerhaus gegründet, 1962 ein Grundstück erworben und bereits 1964 konnte der erste Teil des Projektes, das Technikerwohnheim, bezogen werden. 1970 folgte das Technikerzentrum mit angeschlossener Mensa, einer selbständigen Gaststätte, dem Festsaal und nicht zuletzt mit dem neuen, knapp 200 m2 großen Ambronenheim.

Ich durfte mich zu den Glücklichen zählen, die unseren Dr. Armin in seiner vollen Aktivität und Schaffenskraft hautnah erleben durften. Schon bei meiner ersten Kontaktaufnahme mit Ambronia – ich war von einem Professor zu einem „Kennenlernen“ in ein Innsbrucker Altstadtgasthaus eingeladen worden – traf ich neben einigen Professoren, den Direktor unserer HTL, den Innsbrucker Vizebürgermeister, einigen wenigen Jugendlichen, einen für mich vorerst etwas kauzigen, kahlköpfigen, älteren Herren mit sehr gewählter Ausdrucksweise und stattlicher Figur, der sich offensichtlich ganz besonders für mich interessierte. Er wollte alles wissen, mein Alter, die Wohnadresse, welche Klasse und welche Fachrichtung ich besuche, ob ich Geschwister habe, was mein Vater von Beruf ist und noch vieles mehr. Im Anschluss an diese Befragung teilte er mir mit, dass mich in den nächsten Tagen ein junger Mann zuhause abholen und mich zu einer Verbindungsveranstaltung bringen wird. Dort sollte ich als Mitglied aufgenommen werden. Ich fühlte zuinnerst, dass er einen Widerspruch nicht dulden würde, und so sagte ich mein Kommen zu. Auf meiner Rezeptionskneipe fiel mir auf, dass Dr. Armin offensichtlich alles streng überwachte, immer wieder durch zischende Zurufe irgendjemanden zurechtwies, sich durch sein markantes Räuspern wortlos Aufmerksamkeit verschaffte und dem offensichtlich auch das gestrenge, mit Schlägern bewaffnete Präsidium und die beiden Contrarien an den Enden der U-Tafel ihren Respekt zollten. An einem bald danach abgehaltenen Fuchsentag im Gasthof Ölberg oberhalb von Innsbruck, zu dem mich der Fuchsmajor im Auftrag von Dr. Armin befohlen hatte, war dieser als Hauptreferent erschienen. Dort lehrte er uns, wie wir korrekt unsere Farben zu tragen hätten, dass wir unsere Mützen mit einem kurzen Zug nach links hinten in die korrekte Position zu bringen hätten, wie wir uns vorzustellen haben, wie man sich zutrinkt, dass der Ellenbogen am Tisch nichts zu suchen habe und noch so viele, offensichtlich lebensnotwendige Praktiken im Umgang mit Bundes- und Kartellbrüdern, aber auch – man staune – im Umgang mit Frauen. Erst mit der Zeit habe ich mitbekommen, dass letztere nicht im Mittelpunkt seines Lebens standen, sondern von ihm eher als dem Farbstudententum abträgliche Geschöpfe angesehen wurden. Bei einem Fünfuhrtee mit Tanz, wir sollten doch auch den richtigen Umgang mit Damen für den Farbenball erlernen, klopfte mir, so im Vorübergehen, auf der Tanzfläche Dr. Armin auf die Schulter und sprach, ohne Rücksicht auf meine Dame im Arm: „Radi, nimm dich in Acht vor dieser bösen Tante“.

Nicht umsonst hatte Dr. Armin bei der Planung des Festsaales im Technikerzentrum darauf bestanden, dass dieser eine Galerie, erreichbar über eine saalexterne Treppe, erhalte. Hatten doch Damen selbst bei den Stiftungsfesten unserer Korporation an den Tafeln nichts zu suchen. Gnadenhalber durften sie von der Galerie aus, die er liebevoll den Drachenfels nannte, das Treiben im Festsaal miterleben. Damen an der Tafel oder am Tisch waren nur geduldet, wenn sie in kürzester Zeit den farbstudentischen Stoff in der gewünschten Temperatur herbeischaffen konnten, ohne ihn jedoch einzuschenken. Wagten sie im Ansatz das zu tun, folgte urplötzlich eine äußerst unfreundliche Reaktion im militärischen Befehlston, die wohl mancher Kellnerin das Blut in den Adern erstarren ließ. Meine Mutter schockierte er hin und wieder mit seinen Anrufen am frühen Vormittag: „Hier ist Armin, richten Sie Ihrem Sohn aus, ich treffe ihn um 14.00 Uhr im Cafe Weiss!“ Den Einwand meiner Mutter, dass ich doch nachmittags Unterricht hätte, quittierte er mit einem trockenen „Macht nichts, richten Sie es ihm nur aus“. dann folgte das monotone Besetztzeichen des Telefons, Dr. Armin hatte aufgelegt. Und ich war nachmittags natürlich nicht in der Schule sondern im Cafe Weiss. Dort lud er für gewöhnlich immer zwei Aktive ein und diskutierte mit uns über Verbindung, Gott und die Welt, forderte uns zum Widerspruch und lehrte uns, eine eigene Meinung zu finden und diese auch zu vertreten. Unerbittlich forderte er einwandfreie, schulische Leistungen und erwartete von uns die Erfüllung unserer Pflichten als Amtsträger. Gefürchtet waren seine Anfragen an die Amtsträger auf den Burschenconventen, wenn er Unstimmigkeiten oder Schlamperei geortet hatte. Er war Erzieher und Lehrer, Vorgesetzter und Freund zugleich. Er hat es verstanden uns zur Pflichterfüllung hinzuführen wie wohl sonst niemand mehr. Er war gefürchtet und beliebt zugleich. Sein mitunter schräg anmutendes Verhalten veranlasste uns immer wieder zu Karikaturen oder kleinen humoristischen Boshaftigkeiten in den diversen Bierzeitungen aber er ertrug dies mit stoischer Gelassenheit. Und der Respekt vor dieser so ausgeprägten Persönlichkeit war weit über die Verbindungsgrenzen hinaus spürbar und erlebbar: Bei einer Fronleichnamsprozession, an der auch zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Landesverbandsspitze teilnahmen, begann es zu regnen und bei den Farbenträgern hinter dem fast vollständig erschienenen Chargiertencorps der Stadt Innsbruck öffneten sich zum Missfallen Dr. Armins die Schirme. Kurzerhand trat er aus der Formation und veranlasste die Farbenträger vom Dr. cer. bis zum Fuchsen mit strengem Blick, unmissverständlicher Gestik aber wortlos, die Schirme unverzüglich zu schließen.

Keiner, der Dr. Armin kennenlernen durfte, konnte sich seiner Wirkung entziehen. Seine Persönlichkeit ist der Inbegriff von Autorität, Entschlossenheit, Korrektheit, Pflichterfüllung und Prinzipientreue. Er war und ist uns noch immer ein Vorbild in der Bereitschaft, für die Gemeinschaft da zu sein, Verantwortung zu tragen und Entschlüsse zu fassen, auch wenn sie ein Wagnis darstellen. Jeder, der Dr. Armin erlebte und mit ihm leben und arbeiten durfte, hat durch seinen Führungsstil wertvolle Erfahrungen machen können. Und wir Aktiven genossen seine finanzielle Großzügigkeit und belächelten manche scheinbare Kleinlichkeit, deren Wichtigkeit für unser Leben wir erst später erkennen und erfahren durften. Und so hat jeder unserer Bundes- und Kartellbrüder „seinen“ Dr. Armin in vielfältiger Erinnerung. Mir aber sei erlaubt, diese Zeilen mit einem für mich bis heute unerklärlichen und unergründlichen Spruch meines Dr. Armin zu beenden: „Hurrah die Gemse!“

Als wesentliche Grundlage für diese unvollständige, subjektive Darstellung diente mir die Armin-Fibel, herausgegeben anlässlich des 70. Geburtstages von Amtsrat Ing. Carl Hirnschrott v/o Dr.Armin 2 von der Katholischen Österreichischen Studentenverbindung im MKV Ambronia Innsbruck, unter der Schriftleitung von Landtagspräsident i.R Prof. Ing. Helmut Mader v/o Fidissimus Dr.cer Gracchus, ABI.

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